Mittwoch, 28. September 2016

KuSu(H)rvival!!! Ich bin ein Überlebender



Heute geht es nur um EIN Rennen, KuSu(H)rvival 23 (K23), ehemaliger KuSuH.



Dieses Rennen zu schaffen, lag mir schon tief am Herz, da es das einzige Rennen ist, das ich zweimal abgebrochen hatte. Vor 4 Jahren, ein paar Wochen nach dem TDS, hatte ich es wahrscheinlich nicht ernst genug genommen und wollte nur gewinnen… In einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Hanns-Jörg müsste ich wegen Magenprobleme bei k80 aufgeben.

Ein Jahr später durfte ich Gela pacen, ich bin mit ihr die letzte 80k gelaufen. Es war eine tolle Erfahrung.

2015, verletzt am Start, mit taubem Bein ab k5, hatte ich bei ca. k70, das Tuch geworfen. Es war schon ein Wunder (und ja unvernünftig!) so weit zu gelaufen zu sein.

Dieses Jahr wollte ich es anders angehen.
KuSuh 23 hatte dieses Jahr neue Regeln: Härtere Strecke (dafür noch schöner!), nur 4 VP, nur 1 Dropbag, Pacer verboten. Dafür auf knapp über 100 Meilen ganz wenig Forstwege, hauptsächlich Trails und selbst gebastelte Trails.
KuSu(H)rvival war für mich dieses Jahr mein 19. Wettkampf, und 3. Innerhalb 3 Wochen. Ich stand am Start verletzt, da mein Ischias sich noch nicht von dem Team Duathlon, die Woche davor sich erholt hat.

Aber dieses Jahr ging es nicht ums Gewinnen. Dieses Jahr, wollte ich mir nachweisen, dass ich hier auch finishen kann. Dass ich ein Survivor bin.

Freitagabend Briefing: Daniel aus Österreich, Streckenleiter des Montafon Totale Trail und ich sind die Favoriten. Während des Briefings bekomme ich kalte Füße, es erscheint mir wirklich hart, aber ich will es schaffen, auf jeden Fall. Wie ist die beste Taktik? sehr langsam starten, oder mein Tempo laufen, oder von vornherein vorne weglaufen und es halten solange es geht…

Ein lustiges Briefing geht zu Ende, ich fahre nach Hause. Ich schlafe schlecht, bin aufregt, morgen wird ein langer Tag… Nach 3h Schlaf. aufstehen, losfahren, um 06:30 Uhr ist der Start. Meine Strategie steht nun fest: gewinnen ist mir egal, ich will versuchen zu finishen und dafür will ich MEIN Rennen laufen. Ich will mein Tempo selbst bestimmen, egal was passiert.

Nach 5k geht die Strecke wirklich los, ich täusche eine Pipi-Pause vor und lasse Daniel vorlaufen, sodass ich ihn nicht mehr sehen kann. Er ist zu schnell für mich. Nach 7k stürze ich zum ersten Mal (und eigentlich auch zum letzten Mal!!!). Voll in die Brennesseln! Ist gut für die Durchblutung…
Egal, weiter und weiter, mir geht’s gut, das Wetter ist super, die Farben des Sonnenaufgangs sind traumhaft, ich meditiere. An der Stelle vom ehemaligen 1. VP, esse ich einen Riegel… Ach ja, das gehört auch zu meiner Strategie: die VPs sind zwar weg, aber ich tue so als ob, sie noch da wären und esse und trinke dort ganz gechillt…

Es geht weiter. Mein Ischio zwickt aber es ist alles im grünen Bereich und nach 4h30 komme ich am 1. VP an, Nordwand und Alpensteig sind hinter mir. Mir wird gesagt ich wäre 10min hinter Daniel. Mir ist es egal, aber trotzdem gut zu wissen… Die Temperatur ist schon hoch. 2 Suppen mit Nudeln, Flaschen füllen und weiter…


Ich weiß, was auf mich zukommt… Schwer, sehr schwer. Sind zwar nur 30k aber keine einfachen 30. Viele Höhenmeter, 2 Bachquerungen, nasse Füße, viel klatschnasse Wiesen, viel Wegloses…
Die Frühherbsthitze ist da. Ich passe tierisch auf nicht zu überhitzen. So einen Fehler mache ich nicht mehr, ich esse viel, trinke viel und komme gut vorwärts. Ab und zu sehe ich Daniel…er verläuft sich öfter aber sieht immer ganz stark aus. Ich kann ihm nie folgen.

Ich bleibe entspannt und zum erste Mal komme ich nach weiteren 3h45 in Gündelbach (2. VP)an, topfit. Letztes Jahr hatte ich dort aufgegeben. 2013 wusste ich, dass ich nicht mehr 20km laufen werde…

Heute ist alles anders. Ich lasse mir Zeit, Schuhe und Socken zu wechseln, essen, trinken. Und weiter. Daniel ist kein 5min vor mir…

Die Steigung auf dem Weinberg unter knallharter Sonne ist sehr hart, ich denke an dem Pass von Taibit während der Diagonale (Réunion): nicht überhitzen, lieber 5min verlieren…

Mir geht’s gut, ich finde die angegebenen Brunnen, ich finde meinen Weg, ich habe Spaß, bald erreiche ich ehemalige „VP Silke“. Soweit war ich noch nie. Jetzt wird für mich alles neu. Ich mache einen kurzen Check, alles ok, also weiter, immer weiter: Horn, Bikergrill, Schlucht. Es ist dunkel. Ich laufe mit meiner Lampe. Ich muss verrückt sein, hier fliegen die Schuhe... Danke Markus, habe viel gelacht. Dieses Mal einwandfrei. Ich fange an die Km zu spüren. 115k sind schon hinter mir. 



Ich freue mich auf „VP Jutti und Georg“. Warum? Weil erstens, diesen VP habe ich nie erreicht! Und zweitens, dieser VP befindet sich in ihrem Wohnzimmer. Also Luxus pur!
Ich komme um 21:40 an. Ich habe 7h30 seit dem letzen VP (vor 50km) gebraucht. 7h30 mit mir allein. Viele Leute sind da, es gibt eine tolle Stimmung. Aber ich bin voll konzentriert. Ich will mich nicht ablenken lassen… Suppe, Nudeln, Flaschen füllen und los… Ah, kurze Frage: wie weit vorne ist Daniel? – Daniel? Er ist raus. Ist am k80 ausgestiegen… - Ok. Danke. Und ich bin weg.


Laufe los, ich weiß nicht mehr was ich denken soll. Ich FÜHRE ein Rennen! Ich führe es seit über 40k und wusste es noch nicht einmal. Ich rufe Anna kurz an. Ich will mich ablenken. Wir quatschen, es ist schön ihre Stimme zu hören. Mir geht’s wirklich gut. Ich lege auf und denke nach. Strategie behalten. Nicht schneller, nicht langsamer. Fokussiert bleiben. Da die Strecke teilweise entmarkiert wurde…leider, verlaufe ich mich öfter. Ich versuche nicht in Panik zu raten. Ruhig entspannt und weiter… Nussbaum ist hinter mir, ich bin echt müde. Laufen fühlt sich sehr schwer an…

Um 3 Uhr morgens komme ich an VP 4. 155k auf meiner Uhr! Ich bin platt. Es ist wieder eine Wohnzimmer-Verpflegung. Ich will nicht zu lange bleiben. Die Beine werden sonst nicht wieder in Gang kommen. 2 Suppen und zurück in der Kälte. Es sind keine 10°C mehr draußen. Ich kämpfe mit mir, um zu joggen. Jetzt weiß ich es: ich will es gewinnen! Ich renne weiter und weiter, verlaufe mich wieder und wieder… Mein Kopf ist nicht mehr so klar, aber es müsste klappen. Ich gehe auf den Forstwege und laufe jeden Trail. Die Beine schmerzen. Mein eines Knie kann kaum noch beugen. Scheiße sind 100 Meilen lang! Ich hasse Wolfgang, ich hasse MICH. Warum tue ich mich so was an? Es ist Masochismus.

Endlich sehe ich Oberderdingen, endlich die Brücke, endlich die Straße, das Stadion, ich könnte weinen, es sind so viele Emotionen auf einmal! Silvia ist da, sie läuft die letzte 150m mit mir. Wolfgang und Markus warten auf mich. Es sind so viele Gefühle auf einmal, man kann es nicht beschreiben! Selbst jetzt, einige Tage später, bekomme ich noch Träne in die Augen. Alles geht wie in Zeitlupe, so viele Gedanken in meinem Kopf: Wolfgang, unterwegs habe ich dich gehasst, habe geschimpft, aber Danke. Was für eine Reise, was für eine Abenteuer… Ich habe es gepackt, ich habe es gewonnen, obwohl es nicht das Wichtigste war. Ich sehe wie Markus und Wolfgang sich für mich freuen. Ich bin ein Überlebender. Mehr als das, ich habe mich selbst kennengelernt… Dafür hatte ich23h15 Minuten, und über 171km! Ich erinnere mich an Kilians’ Worte nach seiner 3. Sieg beim UTMB, er hatte Recht, es sind so viele Gefühle auf einmal…
Erholung im Headquarter. Ich versuche zu fassen, was ich schaffen könnte… Unmöglich! Duschen, liegen, denken, denken, denken, genießen… Aufstehen, auf die anderen Läufer warten. Nach 28h15 kommt Stefan Lang übers Ziel. Ich gratuliere ich ihm herzlich…

Wir werden den Tag auf die Siegerehrung warten, miteinander quatschen. Irgendwie bin ich nicht wirklich dabei, vielleicht die Müdigkeit…

15:30 Uhr, es ist nach Zielschluss: 8 Läufer sind angekommen…
Um 16 Uhr werden alle geehrt, die Helfer, die Läufer, die Finisher. 3 Läufer kommen noch während der Zeremonie ins Ziel. Ich erhalte meinen Pokal: ein riesiger Sandstein. Ich freue mich, endlich den Stein hochstemmen zu dürfen.

Wir verabschieden uns, ich fahre nach Hause… Endlich habe ich es geschafft, aber nie wieder 100 Meilen, nie wieder KuSuH, nie, nie? Nicht nächstes Jahr… aber wer weiß, man soll nie nie sagen. Aber erstmal erholen, physisch und psysisch. Es war ein verdammt anspruchsvolles und geniales Wochenende.

PS: Danke an Markus und Jürgen für die Bilder!

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