Sonntag, 17. September 2017

UT4M - Ultra Tour des 4 massifs



Wir wohnen im Gite du Néron (sehr zu empfehlen!) direkt  in Grenoble.

Montag, Dienstag schwimmen, Startnummer abholen, viel Compex, viel dehnen und am Mittwoch stehen wir wieder gemeinsam an der Startlinie!

Für Anna: UT4M Vercors (40/2750) am Mittwoch, und im Hinterkopf UT4M Chartreuse (43 /2750) am Samstag.
Für mich: UT4M Challenge. Das bedeutet 169k mit 11.000hm in 4 Etappen! Ein Bergmassiv pro Tag. Ich finde die Idee genial um einen längeren Ultra vorzubereiten. Um einmal 100 Meilen zu spüren. Oder einfach eine geniale Landschaft tagsüber zu sehen!

Tag 1: Vercors
Mittwoch um 08 Uhr (sehr humane Zeit!!!) starten wir bei blauen Himmel. Richtung Vif über Moucherotte und Pic Saint Michel. Pro Tag gibt es immer 3 VP. Ein bisschen wie beim TAR.

Die erste 4k sind flach und asphaltiert. Wir verlassen Grenoble. Das Feld (400 Läufer!) dehnt sich ziemlich gut, sodass wir alle auf dem Trail staufrei laufen können. Kurz vor der erste VP wird es richtig steil… wir müssen die ehemalige Sprungschanze der olympischen Spiele 1968 hoch. Puh… 
Foto: UT4M©Nacho-Grez
Glockengeläut, viele Zuschauer und zur Belohnung der VP. Hier gibt es alles was das Herz begehrt. Brot, 2-3 Arten von Käse, 3-4 Arten von Schinken, Haribo, Bananen, Orange, Melone, Wassermelone, Zitrone, Gels, Energieriegel. Was Getränk angeht: Cola, Wasser (still und sprudel) Iso, Tee, Kaffee, Traubensaft, Apfelsaft, Orangesaft… Echt krass!!!

Foto: UT4M©Nacho-Grez
Ich esse so viel es geht und laufe Anna hinterher… Ach ja wir laufen wieder zusammen! Eine Platzierung kann ich hier sowieso nicht machen. Ich sage nur Collet, Morabity, Beauxis… Also begleite ich Anna, die hier heute das erste Mal im Leben 40k am Stück bewältigen wird. Premiere.

Foto: Ut4M-©ThomasVigliano
Die Wege sind kleiner und steiniger, die Ausblicke schöner, wir sind jetzt in den Alpen. Es gefällt mir sehr. Ich genieße jede Minute. Bald haben wir Moucherotte erreicht. Die erste Spitze des Tages. Der Ausblick ist genial! Wir können unsere gesamte Strecke sehen. Kurzes Hallo an Marie-Laure, die Chefin der Berghütte, die hier auf uns gewartet hat, und dann weiter zum zweiten VP. Es ist bald Mittagszeit und ich habe Hunger! Ich laufe einen Tick schneller bergab, sodass ich das „Buffet“ länger genießen kann! Als Anna ankommt (ein paar Minuten später), habe ich mich bereits vollgefressen! Also weiter Richtung Pic Saint Michel… oder Pic Saint Philippe, oder Saint Didier ?!?!? Ich weiß es nicht mehr. Ist auf jeden Fall hoch und felsig… und steil, und warm und wunderschön! ;-)

Foto: Ut4M-©GeorgesMartinezValentin
Ab dem Punkt erwartet uns ein echter Downhill… Es geht 1600hm am Stück runter! Von Steinen über Matsch und Wurzeln bis hin zum Asphalt (wenig!) gibt es alles. Genial! Lang aber cool! wir sind noch relativ fit und holen viele Läufer ein. Es fühlt sich gut an. Kurzer Stop an VP3. Nur noch ein Hügelchen… 400m+; 500m-, dann eine Ehrenrunde durch Vif und BÄM die Uhr überschreitet die 40k, und wir laufen Hand in Hand übers Ziel!
Die Zielverpflegung ist auch fantastisch. Wie die einzelnen VPs, nur dass es noch Nudeln gibt! Duschen, essen, trinken und mit dem Shuttle-Bus Richtung Grenoble Zentrum.
Dort warten eine ganze Mannschaft Physios auf uns. Cryotherapie, rotes Licht, Massage und dann endlich nach Hause. Compex, essen, trinken und schlafen. Was für ein Tag!
Später in der Berghütte erfahren wir dass Anna dritte geworden ist. Die anderen Gäste haben unser Rennen den Tag über verfolgt und sind begeistert. Wow!

Tag 2: Oisans, eine lange Etappe… 50k mit 3500hm, angeblich die schwerste Etappe… was sich auch bestätigte.
Ich habe Glück. Das Kamerateam des UT4M wohnt mit uns in der Berghütte. Sie nehmen mich mit zum Start. Perfekt, eine Mütze Schlaf gewonnen. Denn der Start ist in Vif, und mit Tram und Shuttlebus dauert die Anfahrt deutlich länger… Wir starten also jeweils dort, wo wir am Vortag gefinisht haben.


Um 07 Uhr, geht es wieder los. Wegen der etwas überlasteten Knie, und weil ohne Anna, entscheide ich mich für einen langsamen Start. Ich laufe gemütlich über den ersten Hügel zum ersten VP des Tages,  esse viel und stelle fest: eigentlich fühle ich mich gut. Sehr gut sogar. Also beschließe ich, ein bisschen zu pushen…

Foto: Ut4M-©GeorgesMartinezValentin
Noch einen Hügel (500m+) und der zweite VP ist erreicht, in „la Morte“. Im Ernst, kein Scherz. Dieser blöde VP heißt „la Morte“, die Tote! Ich erkläre den Freiwiligen, dass mir dieser Name so ganz und gar nicht gefällt. Sie sind beleidig… Naja egal ich muss nicht hier bleiben, ich laufe weiter… Ehrlich gesagt ich gehe weiter: 1000hm innerhalb von 3,5k. Ich hole immer mehr Läufer ein. Es fühlt sich gut an. Sehr gut sogar, so gut, dass ich im Downhill den Eindruck habe, ich könnte fliegen… Fliegen schon… landen leider nicht ohne Schrammen… Blutiges Knie, und dank der Handschuh meiner Leki-Stöcke, nur leicht verletzt an der Hand… Scheiße, wie geht es weiter?… ein bisschen humpeln… Gehirn leeren und weiter. Es geht… hoffentlich hält es noch…

VP3. Ich bin in den TOP 15! Mein Körper ist noch fit. Es ist super warm und wunderschön. Nach 400m+ bin ich auf dem Plateau des Lacs. Der Blick von hier ist traumhaft. Oisans, Ecrins, Belledonne, Schnee, Gletscher, Wiese, Seen. Alles dabei und das unter blauem Himmel. Es ist ein Traum. Eine Runde um die Seen und dann los. Der Downhill muss schrecklich sein: 1500k innerhalb 5km… Wir sind zu zweit und labern die ganze Zeit… Und plötzlich sind wir unten in Riouperoux. Es war doch gar nicht so schlimm. Ziel erreicht. Platz 12! Schmerzfrei… Interessant!
Foto: Ut4M-©LaurentDubois

Essen, trinken, heimfahren!
Rotes Licht, Cryo, Physio. Essen, trinken, Compex… und schlafen. Morgen Belledonne!

Tag 3 Belledonne. Ah Belledonne, mein Lieblingsbergmassiv! Das mag ich! Es ist wild, technisch, einfach schön…
Leider nicht für heute… Aufgrund von Gewitterrisiko werden wir umgeleitet… 



Start um 08 Uhr. Ein VK zum Warmwerden, eine kurze laufbare Passage und dann direkt runter über eine eklige Skipiste… BÄÄÄÄH. Dann ein Forstweg leicht absteigend… bäääh, hässlich… noch hässlicher fühlt es sich an, zumal meine Knien solche Wege gerade gar nicht mögen. Ich leide ernsthaft. Darüber hinaus ist es warm… verdammt warm. Zu warm sogar… Die Freiwillige wissen (leider) nicht genau wie weit die VP voneinander entfernt sind… 21k bei über 35°C ohne Verpflegung… Nicht gut. Vergessen wir es. Scheißtag. Scheiß Schmerz… Ich bin traurig und böse. Meine Knie sind am Arsch. Am Tag 4, kann ich whs nicht mehr starten…
Ich lass mich von Anna abholen.

Tag 4: Chartreuse, aufstehen. Knieschmerz… aber erträglich. Am ärgsten schmerzen die Fußnägel… Die sind komplett schwarz…Ich werde es schaffen. Es wird lang, schmerzhaft, aber es wird klappen.

Anna ist wieder dabei! Wir starten nicht so langsam wie am ersten Tag. Ich weiß, dass mein Körper irgendwann platzen wird und dann werde ich sehr sehr langsam. Das Wetter ist sehr nebelig. Nachts hatte es gewittert, alles ist nass aber es regnet nicht mehr. Nach einer leichten Steigung im Dorf kommt der tägliche VK. Matschig, rutschig, wie ich es liebe…

Foto UT4M
VP1 ist schnell erreicht. Alles gut. 1. Berg (Chamechaude) auch noch gut… Hier gibt es eine Passage wo eine Kette von Läufer im Aufstieg ist, während die anderen auf dem gleichen Pfad runterrauschen… Das dass keine Unfälle gibt? Wie wird das wohl in unserem Downhill sein, wenn es noch voller auf der Strecke wird? Aber es geht erstaunlich gut! Knien 0 – Nägel 1… Ich humpele runter… wegen den dummen Nägeln. Echt blöd! Egal. VP2 ist erreicht, d.h. nur noch 2 Hügelchen…
VP3 erreicht… Ich bremse Anna so sehr, dass ich mich dafür schäme. Sie läuft schneller runter als ich und das ohne Gewitter… Seit wann??? Verdammt!

Der letzte Berg ist erreicht… nur noch runter… Aua…. Aua aua.. Anna hätte Zeit gehabt unterwegs ein Eis mit 5 Kugel zu holen und zu essen… Sie wartet aber brav auf mich… „Schatz ich komme… irgendwann!!!“

Foto: Ut4M-©YvesGaigé
Irgendwann komme ich in den Park. Marie-Laure von der Berghütte kommt uns mit dem Rad entgegen. Viele Zuschauer sind da. Wir laufen Hand in Hand über die Ziellinie! Ich habe es geschafft! Anna hat es geschafft, ihre erster Marathon…
Ich gehe mich hinsetzen. Und… das war’s. Ich bin weg… weit weg… die Tränen sind da… Außer bei der Diagonale habe ich noch nie so viel gelitten… Nicht wegen der Strecke, sondern wegen allem anderen. Ich muss es akzeptieren, ich bin kaputt…

Duschen, essen, trinken, rotes Licht, Cryo, Massage…
Heim.
Saufen, fressen, feiern! Geil!!! Wir haben was zu feiern. Das Kamarateam ist da.

Sonntag: Arbeit… muss ich auch ein bisschen ab und zu…
Abends Weiterfahrt Richtung Belledonne… Wie wird es dort sein???

Montag: ich bin depri… Komplett. Die Euphorie des UT4M ist weg… Mein Körper ist nur noch Schmerz…
Erholen… Schlafen und am Donnerstag wieder aufwachen...


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