Wir wohnen im Gite du Néron (sehr zu empfehlen!) direkt in Grenoble.
Montag, Dienstag schwimmen, Startnummer abholen, viel
Compex, viel dehnen und am Mittwoch stehen wir wieder gemeinsam an der
Startlinie!
Für Anna: UT4M Vercors (40/2750) am Mittwoch, und im
Hinterkopf UT4M Chartreuse (43 /2750) am Samstag.
Für mich: UT4M Challenge. Das bedeutet 169k mit 11.000hm in
4 Etappen! Ein Bergmassiv pro Tag. Ich finde die Idee genial um einen längeren
Ultra vorzubereiten. Um einmal 100 Meilen zu spüren. Oder einfach eine geniale
Landschaft tagsüber zu sehen!
Tag 1: Vercors
Mittwoch um 08 Uhr (sehr humane Zeit!!!) starten wir bei
blauen Himmel. Richtung Vif über Moucherotte und Pic Saint Michel. Pro Tag gibt
es immer 3 VP. Ein bisschen wie beim TAR.
Die erste 4k sind flach und asphaltiert. Wir verlassen
Grenoble. Das Feld (400 Läufer!) dehnt sich ziemlich gut, sodass wir alle auf
dem Trail staufrei laufen können. Kurz vor der erste VP wird es richtig steil…
wir müssen die ehemalige Sprungschanze der olympischen Spiele 1968 hoch. Puh…
Foto: UT4M©Nacho-Grez |
Glockengeläut,
viele Zuschauer und zur Belohnung der VP. Hier gibt es alles was das Herz
begehrt. Brot, 2-3 Arten von Käse, 3-4 Arten von Schinken, Haribo, Bananen, Orange,
Melone, Wassermelone, Zitrone, Gels, Energieriegel. Was Getränk angeht: Cola,
Wasser (still und sprudel) Iso, Tee, Kaffee, Traubensaft, Apfelsaft,
Orangesaft… Echt krass!!!
Foto: UT4M©Nacho-Grez |
Ich esse so viel es geht und laufe Anna hinterher… Ach ja
wir laufen wieder zusammen! Eine Platzierung kann ich hier sowieso nicht
machen. Ich sage nur Collet, Morabity, Beauxis… Also begleite ich Anna, die
hier heute das erste Mal im Leben 40k am Stück bewältigen wird. Premiere.
Foto: Ut4M-©ThomasVigliano |
Die Wege sind kleiner und steiniger, die Ausblicke schöner,
wir sind jetzt in den Alpen. Es gefällt mir sehr. Ich genieße jede Minute. Bald
haben wir Moucherotte erreicht. Die erste Spitze des Tages. Der Ausblick ist
genial! Wir können unsere gesamte Strecke sehen. Kurzes Hallo an Marie-Laure,
die Chefin der Berghütte, die hier auf uns gewartet hat, und dann weiter zum zweiten
VP. Es ist bald Mittagszeit und ich habe Hunger! Ich laufe einen Tick schneller
bergab, sodass ich das „Buffet“ länger genießen kann! Als Anna ankommt (ein
paar Minuten später), habe ich mich bereits vollgefressen! Also weiter Richtung
Pic Saint Michel… oder Pic Saint Philippe, oder Saint Didier ?!?!? Ich weiß es
nicht mehr. Ist auf jeden Fall hoch und felsig… und steil, und warm und
wunderschön! ;-)
Foto: Ut4M-©GeorgesMartinezValentin |
Ab dem Punkt erwartet uns ein echter Downhill… Es geht 1600hm
am Stück runter! Von Steinen über Matsch und Wurzeln bis hin zum Asphalt
(wenig!) gibt es alles. Genial! Lang aber cool! wir sind noch relativ fit und
holen viele Läufer ein. Es fühlt sich gut an. Kurzer Stop an VP3. Nur noch ein
Hügelchen… 400m+; 500m-, dann eine Ehrenrunde durch Vif und BÄM die Uhr
überschreitet die 40k, und wir laufen Hand in Hand übers Ziel!
Die Zielverpflegung ist auch fantastisch. Wie die einzelnen VPs,
nur dass es noch Nudeln gibt! Duschen, essen, trinken und mit dem Shuttle-Bus
Richtung Grenoble Zentrum.
Dort warten eine ganze Mannschaft Physios auf uns. Cryotherapie,
rotes Licht, Massage und dann endlich nach Hause. Compex, essen, trinken und
schlafen. Was für ein Tag!
Später in der Berghütte erfahren wir
dass Anna dritte geworden ist. Die anderen Gäste haben unser Rennen den Tag
über verfolgt und sind begeistert. Wow!
Tag 2: Oisans, eine lange Etappe… 50k mit 3500hm, angeblich
die schwerste Etappe… was sich auch bestätigte.
Ich habe Glück. Das Kamerateam des UT4M wohnt mit uns in der
Berghütte. Sie nehmen mich mit zum Start. Perfekt, eine Mütze Schlaf gewonnen. Denn
der Start ist in Vif, und mit Tram und Shuttlebus dauert die Anfahrt deutlich
länger… Wir starten also jeweils dort, wo wir am Vortag gefinisht haben.
Um 07 Uhr, geht es wieder los. Wegen der etwas überlasteten Knie,
und weil ohne Anna, entscheide ich mich für einen langsamen Start. Ich laufe
gemütlich über den ersten Hügel zum ersten VP des Tages, esse viel und stelle fest: eigentlich fühle ich
mich gut. Sehr gut sogar. Also beschließe ich, ein bisschen zu pushen…
Foto: Ut4M-©GeorgesMartinezValentin |
Noch einen Hügel (500m+) und der zweite VP ist erreicht, in
„la Morte“. Im Ernst, kein Scherz. Dieser blöde VP heißt „la Morte“, die Tote!
Ich erkläre den Freiwiligen, dass mir dieser Name so ganz und gar nicht gefällt.
Sie sind beleidig… Naja egal ich muss nicht hier bleiben, ich laufe weiter…
Ehrlich gesagt ich gehe weiter: 1000hm innerhalb von 3,5k. Ich hole immer mehr
Läufer ein. Es fühlt sich gut an. Sehr gut sogar, so gut, dass ich im Downhill
den Eindruck habe, ich könnte fliegen… Fliegen schon… landen leider nicht ohne
Schrammen… Blutiges Knie, und dank der Handschuh meiner Leki-Stöcke, nur leicht
verletzt an der Hand… Scheiße, wie geht es weiter?… ein bisschen humpeln…
Gehirn leeren und weiter. Es geht… hoffentlich hält es noch…
VP3. Ich bin in den TOP 15! Mein Körper ist noch fit. Es ist
super warm und wunderschön. Nach 400m+ bin ich auf dem Plateau des Lacs. Der
Blick von hier ist traumhaft. Oisans, Ecrins, Belledonne, Schnee, Gletscher,
Wiese, Seen. Alles dabei und das unter blauem Himmel. Es ist ein Traum. Eine
Runde um die Seen und dann los. Der Downhill muss schrecklich sein: 1500k
innerhalb 5km… Wir sind zu zweit und labern die ganze Zeit… Und plötzlich sind
wir unten in Riouperoux. Es war doch gar nicht so schlimm. Ziel erreicht. Platz
12! Schmerzfrei… Interessant!
Foto: Ut4M-©LaurentDubois |
Essen, trinken, heimfahren!
Rotes Licht, Cryo, Physio. Essen, trinken, Compex… und
schlafen. Morgen Belledonne!
Tag 3 Belledonne. Ah Belledonne, mein Lieblingsbergmassiv!
Das mag ich! Es ist wild, technisch, einfach schön…
Leider nicht für heute… Aufgrund von Gewitterrisiko werden
wir umgeleitet…
Start um 08 Uhr. Ein VK zum Warmwerden, eine kurze laufbare
Passage und dann direkt runter über eine eklige Skipiste… BÄÄÄÄH. Dann ein
Forstweg leicht absteigend… bäääh, hässlich… noch hässlicher fühlt es sich an,
zumal meine Knien solche Wege gerade gar nicht mögen. Ich leide ernsthaft. Darüber
hinaus ist es warm… verdammt warm. Zu warm sogar… Die Freiwillige wissen
(leider) nicht genau wie weit die VP voneinander entfernt sind… 21k bei über 35°C
ohne Verpflegung… Nicht gut. Vergessen wir es. Scheißtag. Scheiß Schmerz… Ich
bin traurig und böse. Meine Knie sind am Arsch. Am Tag 4, kann ich whs nicht
mehr starten…
Ich lass mich von Anna abholen.
Tag 4: Chartreuse, aufstehen. Knieschmerz… aber erträglich. Am ärgsten
schmerzen die Fußnägel… Die sind komplett schwarz…Ich werde es schaffen. Es
wird lang, schmerzhaft, aber es wird klappen.
Anna ist wieder dabei! Wir starten nicht so langsam wie am
ersten Tag. Ich weiß, dass mein Körper irgendwann platzen wird und dann werde
ich sehr sehr langsam. Das Wetter ist sehr nebelig. Nachts hatte es gewittert,
alles ist nass aber es regnet nicht mehr. Nach einer leichten Steigung im Dorf
kommt der tägliche VK. Matschig, rutschig, wie ich es liebe…
Foto UT4M |
VP1 ist schnell erreicht. Alles gut. 1. Berg (Chamechaude) auch
noch gut… Hier gibt es eine Passage wo eine Kette von Läufer im Aufstieg ist,
während die anderen auf dem gleichen Pfad runterrauschen… Das dass keine
Unfälle gibt? Wie wird das wohl in unserem Downhill sein, wenn es noch voller
auf der Strecke wird? Aber es geht erstaunlich gut! Knien 0 – Nägel 1… Ich
humpele runter… wegen den dummen Nägeln. Echt blöd! Egal. VP2 ist erreicht,
d.h. nur noch 2 Hügelchen…
VP3 erreicht… Ich bremse Anna so sehr, dass ich mich dafür
schäme. Sie läuft schneller runter als ich und das ohne Gewitter… Seit wann???
Verdammt!
Der letzte Berg ist erreicht… nur noch runter… Aua…. Aua
aua.. Anna hätte Zeit gehabt unterwegs ein Eis mit 5 Kugel zu holen und zu
essen… Sie wartet aber brav auf mich… „Schatz ich komme… irgendwann!!!“
Foto: Ut4M-©YvesGaigé |
Irgendwann komme ich in den Park. Marie-Laure von der
Berghütte kommt uns mit dem Rad entgegen. Viele Zuschauer sind da. Wir laufen
Hand in Hand über die Ziellinie! Ich habe es geschafft! Anna hat es geschafft,
ihre erster Marathon…
Ich gehe mich hinsetzen. Und… das war’s. Ich bin weg… weit
weg… die Tränen sind da… Außer bei der Diagonale habe ich noch nie so viel
gelitten… Nicht wegen der Strecke, sondern wegen allem anderen. Ich muss es
akzeptieren, ich bin kaputt…
Duschen, essen, trinken, rotes Licht, Cryo, Massage…
Heim.
Saufen, fressen, feiern! Geil!!! Wir haben was zu feiern.
Das Kamarateam ist da.
Sonntag: Arbeit… muss ich auch ein bisschen ab und zu…
Abends Weiterfahrt Richtung Belledonne… Wie wird es dort
sein???
Montag: ich bin depri… Komplett. Die Euphorie des UT4M ist
weg… Mein Körper ist nur noch Schmerz…
Erholen… Schlafen und am Donnerstag wieder aufwachen...
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